DAS Singapur gibt es nicht, nein, es gibt gleich mehrere davon. Das Völkergemisch ist vielseitig, das Sprachengewirr ebenfalls. Weg von den stylischen Wolkenkratzern von Downtown im Herzen von Little India glaubt man sich tatsächlich in ein anderes Land versetzt. Statt Starbucks gibt es hier noch die traditionellen Kaffee- und Teehäuser. Eine Schar bunter Häuser säumt die engen Strassen, die Händler haben ihr Angebot aufgebaut und der typische Geruch indischer Küche weht einem um die Nase. Inder aus allen Herren Richtungen dieses grossen Landes und Pakistani, alle nebeneinander versammelt. Die paar zerquetschten Kakerlaken auf dem Trottoir lassen auf ein anderes, geheimes Leben schliessen, das sich nicht dem Ordnungswahn der Regierung unterordnen lässt.
Chinatown ist eine etwas verwestlichte Version chinesischer Strassenzüge. Man hat sich dem Publikum angepasst, das durch die Stände des Nachtmarktes strömt. Souvenirs aller Couleur und auf die Geschmacksnerven der Touristen ausgerichtete Sweet-and-Sour-Gerichte sind hier zu finden. Für mich als alten Taiwan-Nachtmarkt-Hasen ist das natürlich nicht besonders reizvoll.
Die Orchard-Road mit ihren riesigen Shoppingmalls ist austauschbar, könnte in jeder modernen Stadt stehen. Jungs und Mädels vom Verkaufspersonal (jedenfalls die asiatischer Abstammung) versuchen natürlich auch hier hip zu sein und tragen die beliebten farbigen Kontaktlinsen - besonders verbreitet in einem dunklen leuchtenden Blau. Der Anblick ist etwas gewöhnungsbedürftig und sieht meist etwas zombiehaft aus.
Ich lasse mich an der Flusspromenade, naja eigentlich Meeresarmpromenade, zu einem Bierchen während der Happy Hour nieder. Satte 9 Sin Dollar, ca. 6.50 CHF, werden mir abgeknüpft. Mir wird von der Vorstellung des Preises zu Normalzeiten etwas schwindlig - oder doch vom Alkohol bei der Hitze von 34°?
Mein Weg führt mich etwas ins Grüne. Auf dem Stadtplan hat es nicht so weit ausgesehen, der Reiseführer preist die Dempsey Road als die Heimat der Antiquitätenhändler. Einen Blick kann nicht schade denke ich und stampfe los. Schon bald befinde ich mich in Wohnquartieren mit Häusern, die nicht mehr von der Mittelschicht bewohnt werden. Ein paar einsame Kinderwagenschieberinnen begegnen mir noch. Die Ladies asiatischer Herkunft, die geschobenen Kinder weisser. Sonst geht in dieser Gegend niemand mehr zu Fuss, und ganz bestimmt kein Westler. Ich fühle mich etwas an Afrika erinnert, wo ich auch am Strassenrand marschieren merkwürdige Blicke geerntet habe - Weisse fahren nur in Autos rum, und zwar in grossen Autos. Das ist in diesem Quartier Singapurs nicht anders und nach einer schweisstreibenden halben Stunde komme ich auf einen Platz, der eher aussieht wie ein Dorfplatz in einem kleinen Dorf. Als erstes steuere ich auf die Metzgerei Huber mit angeschlossenem Lebensmittelladen zu um eine Erfrischung zu tanken. Erst noch nichts ahnend, schwahnt mir heimatliches als mein Auge auf ein Fondueset von Gerber fällt. Weitere typisch eidgenössische Produkte, vor allem aus dem Schnaps- und Käsebereich lassen als Ladenbesitzer auf einen Heimwehschweizer schliessen. Dem Publikum scheints zu gefallen, sie strömen scharenweise herbei im - na? Genau, dem grossen und protzigen Auto. Expat Community. Die Geschäfte sind eine Enttäuschung. Die Möbel scheinen statt aus den früheren Jahrhunderten eher gerade vom Laufband gekommen zu sein und sind in ihrer Aufmachung dazu da, grosse Busladungen an einkaufswütigen Touristen zu empfangen. Gerade als ich mir Gedanken darüber mache, wie ich von dieser abgelegenen Ecke wieder weg komme, taucht ein Taxi auf und ich lasse mich in mein Hotel chauffieren, wo ich die Strapazen erst mal mit einem Sprung in den Pool abwasche.
Beim Essen sehe ich dann wieder aufs Wasser hinaus, aus den Lautsprechern berieselt mich "you and me in paradise". Singapur ist eine nette Abwechslung. Auf längere Dauer wäre es mir hier zu steril und hat eindeutig zu viele westliche Touristen. Aber für ein paar Tage ist es wirklich ein bisschen wie im Paradies.
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