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Samstag, 15. Oktober 2011

Gedanken zu Seoul

You want to be hip? Go to Seoul.
Die Stadt hat alles. Skyscrapper. Tradition. Kultur. Coffeeshops zum Verweilen. Kreative Ecken und allerlei Krimskrams, das eigentlich niemand braucht. Ein Mix aus Ost und West. Zwölf Millionen Einwohner und bestimmt ebenso viele Autos. Lebhaft und beschaulich. Gebaut auf zahlreichen Hügeln, sich ausbreitend so weit das Auge reicht.

Die Dame aus Seoul, in ihren Fünfzigern, mit Dauerwelle bestückt und in den schicken Trainingsdress gehüllt, zeigt sich von der aktiven Seite und ist auf den Hikingtrails anzutreffen. Ausgerüstet als ginge es um eine mehrtägige Alpenquerung, werden die rund 300 m hohen Hügel bestiegen. Laut schnatternd versteht sich, Proviant im Rucksack, gegen Sonnenstrahlen geschützt in Langarm und mit Handschuhen. Wanderstöcke inklusive.
Derweil geht der Gatte dem Business nach. Manchmal auch sein Haar in verdächtig dauerwellenbehandelter Luftigkeit. Zuweil im glänzenden Anzugsstoff, der nicht unbedingt vorteilhaft daherkommt. Aber jederzeit gestylt. Auch wenn es dann nach Feierabend mit den Arbeitskollegen zum Kampftrinken geht. Wo eine Flasche Schnaps zum gleichen Preis wie eine Flasche leichtes Bier über den Tresen geht.
Die ältere Generation Männer bleibt unter sich. Die weniger Betuchten sitzen in den Strassenkneipen, auch hier fliesst Alkohol, um die strapazierten Hälse der lautstarken Diskussionen zu ölen. Es ist als betrete man beim Durchqueren dieser Gassen eine fremde Welt, wo ich wegen mangelnder Sprachkenntnisse das Schild "Zutritt für Frauen verboten" irgendwie übersehen haben muss...
Daneben gibt es die Jugend, ständig gadgetbewehrt unterwegs. Das Handy ist hier nicht ein Objekt um lieblos in einer Tasche zu verschwinden. Es gehört in die Hand, als ob jederzeit wichtige Messages und Anrufe einfliegen würden, die zu versäumen das Leben in unerträgliche Bahnen lenken würde. Zuweilen müssen sich dann die Radfahrenden der Seouler Bevölkerung waghalsig in die Verkehrslawine stürzen im ihr fallengelassenes Teil in seinen Einzelteilen einzusammeln, bevor es unter die Räder kommt und in den Schrotthimmel eingeht.
Konservative Werte und moderne Lebensformen prallen aufeinander. Altes und Neues steht in unmittelbarer Nachbarschaft. Moderne Wirtschaftsnation und stark limitierte Englischkenntnisse, sogar die Dame vom Informationsschalter ist von meinen Fragen heillos überfordert.
Das alles und noch viel mehr ist Seoul.
Die spirituellen Geister wohnen in den Bergen. Eine jüngere Frau in knallengen Jeans, Tigertop und rotlackierten Fingernägeln keucht die Felsen hinauf um da oben ein Gebet zu sprechen. Die ältere Dame hat den Aufstieg auch in Angriff genommen, entzündet Räucherstäbchen für die Geister und für die Befriedigung ihrer eigenen Sucht eine Zigarette.
Alles findet nebeneinander seinen Platz.
Heisse Maroni gibt’s. Und Kimchi, der in scharfer Marinade eingelegte Chabis. Mittlerweile mehr Kaffee als Tee. Und Waffeln, bis die Ohren wackeln. Fast jeder Shop scheint sie im Angebot zu haben.
Lovemotels, weil die junge Liebe ja irgendwo stattfinden muss. Märkte, Menschenmassen, ein zum Erliegen gekommener Verkehrsstrom. Paläste. Buntgewandete Wachen. Chinesische Tourgruppen in unzähligen Bussen.
Vier Tage strahlend schönes Herbstwetter. Das schon bald in den bitterkalten Winter übergehen wird, in dem Seoul beim Minusgraden friert. Da gibt es manchmal sogar Schnee auf den Palastdächern. Pittoresk.
Das alles und noch viel mehr ist Seoul. Das sich einen Platz auf meiner Hitliste erobert hat.
Deshalb – wer hip sein will geht nach Seoul!

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